Justitia Jenensis

Berichte eines jenenser Strafverteidigers

10.7.06

Unkollegialität grenzenlos

Was ist nur in manche Strafverteidiger gefahren, dass es nunmehr bereits üblich ist, sich die Mandanten während einer laufenden Pflichtverteidigung innerhalb der JVA abzujagen.

Ich verteidige einen Mandanten wegen Diebstahl u.a. im Rahmen einer Pflichtverteidigung. Der Mandant sitzt in U-Haft in der JVA Gera und es war in letzter Zeit leider nicht zu verhindern, dass 2 Besuchstermine in der JVA kurzfristig verlegt werden mussten.

Kurz darauf schreibt ein Geraer Verteidiger an des zuständige Gericht, dass er beantrage, mich als Pflichtverteidiger zu entlassen und ihn als PV zu bestellen. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten und mir sei gestört.

Daraufhin habe ich die Sache mit dem Mandanten besprochen und dieser gab an, dass er an der Pflichtverteidigung durch meine Person festhalte.

Dennoch kann es der Kollege nicht lassen, auf seinem Antrag zu beharren und wird sich wohl eine Abweisung des Antrages durch das Gericht einfangen.

Hätte man den Kollegen nicht zuvor kurz telefonisch kontaktieren können? Ist die Lage schon so angespannt, dass jede Pflichtverteidigung ohne Rücksicht an sich gerissen werden muss?

Ich habe in solchen Fällen dem Wunsch des Mandanten stets den Vorrang gegeben und gern auf die eine oder andere Pflichtverteidigung verzichtet.

Offenbar ist dieses Gebahren aber nicht mehr zeitgemäß und auch ich werde in Zukunft wohl etwas härter durchgreifen müssen.

4.7.06

Ende Vergewaltigungsprozess

Nun endlich hat der schon beschriebene Vergewaltigungsprozess ein Ende. Das AG Gera verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten. Ob ihn das bei einer bereits verhängten lebenslangen Strafe beeindruckt?
Das Gericht jedenfalls kam nach der Beweisaufnahme zu dem Schluss, dass die Anklagevorwürfe wohl zuträfen und meinem Mandanten wurden weitere Peinlichkeiten erspart. Schlimm genug war die Sache für diesen ohnehin.
Ich bin gespannt, wie das Berufungsverfahren endet. Hoffentlich wird man dort nicht auch in Erwägung ziehen, die Penisgröße des Angeklagten zu vermessen usw. .

25.6.06

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23.6.06

Wirtschaftsprozess erfolgreich beendet

Am 16.06.2006 ist der hier bereits beschrieben Wirtschaftsstrafprozess beim LG Mühlhausen nach einem rechtlichen Gespräch beendet worden. Interessant dabei dürfte sein, dass die eigentliche Anklageschrift nicht vollständig verlesen wurde, sondern vielmehr eine Selbstlesung analog § 249 II StPO angeordnet wurde. In vorliegendem Verfahren war dies durchaus sinnvoll, da allein die Verlesung der Anklage, den Prozess erheblich verzögert hätte. Nach meinem Kenntnisstand, hat es eine derartige Selbstlesung einer Anklage bis dato nicht gegeben. Leider wird es zu einer obergerichtlichen Prüfung dieser Vorgehensweise in diesem Verfahren nicht kommen, da Rechtsmittelverzicht erklärt wurde. Nach meinem Dafürhalten, dürfte die analoge Anwendung des § 249 II StPO hier aber zulässig sein, da Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung stets in der Lage sind, durch Selbstlesung Kenntnis vom Inhalt einer Anklageschrift zu erlangen.

Das schreibt die "Thüringer Allgemeine" zum Prozess:

Zitat:
Kurzer Prozess

Das bisher aufwändigste Thüringer Ermittlungsverfahren gegen Wirtschaftskriminelle ist gestern nach einem Rechtsgespräch zwischen den Beteiligten überraschend beendet worden.

MÜHLHAUSEN. Auf Grund ihrer Geständnisse kamen die beiden angeklagten Betrüger mit recht milden Strafen davon. Nach einem Jahr Untersuchungshaft durften die Bosse des unter dem Namen " Marbella-Connection" bekannt gewordenen Netzwerkes für Firmenbestattungen das Gericht zunächst als freie Männer verlassen. Erst in wenigen Wochen müssen der gesundheitlich angeschlagene Berufsschullehrer (65) und ein mitangeklagter Elektroniker (46) ihre fünf- bzw. eine dreieinhalbjährige Haft antreten.

Das Urteil selbst stellte gestern Nachmittag keine Überraschung dar: Dem Gericht war es in einem Rechtsgespräch gelungen, das Duo zu einem Geständnis zu bringen. Im Gegenzug wurden rund 1200 der insgesamt 2000 Anklagepunkte fallen gelassen. Damit wurden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Der Prozess ging nach nur vier Verhandlungstagen zu Ende. Zudem musste die wegen ihrer Tabellenform einem Zuhörer kaum zumutbare Anklageschrift nicht weiter verlesen werden.

Allerdings hatte sich das Gericht zuvor bereits deutlich positioniert: Wenn eine Anklageschrift wie diese so schwer verständlich ist, ist ein Verlesen nicht zumutbar. Denn dann erfüllt sie keinen Zweck. Die Schöffen haben das 296-Seiten-Pamphlet zum Lesen bekommen. Alle anderen wussten, was Staatsanwalt Frank Erdt in der vierjährigen Ermittlungsarbeit festgestellt hat: Die beiden Angeklagten ließen sich den Aufkauf von Firmen, deren Umbenennung und Sitzverlegung bezahlen und dadurch Gläubiger ins Leere laufen. Die Masche haben sie mindestens 500 Mal durchgezogen - auch bei zehn Thüringer Firmen. "Die Vielzahl der Straftaten hat sich strafverschärfend ausgewirkt", brachte es der Vorsitzende Richter Axel Schur im Urteil auf den Punkt.

Übrig blieben laut Schur immer noch 338 Fälle der Falschbeurkundung und 440 Verletzungen der Buchführungspflicht. Auf die komplette Verhandlung von 500 angeklagten Insolvenzverschleppungen wurde auch deshalb verzichtet, weil der jeweilige Zeitpunkt der Insolvenz hätte ermittelt werden müssen. Drei, vier Jahre hätte das laut Schur gedauert.

Zitat Ende

15.6.06

Guter Rat eines Freundes als Anstiftung?

Heute kam es beim Amtsgericht Jena zu einer Forsetzungsverhandlung, wobei der Mandant wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage angeklagt ist. Ein guter Freund hatte in einem anderen Verfahren (einfache Körperverletzung) uneidlich falsch ausgesagt, dass die zunächst vor der Polizei behauptete Verletzungshandlung gar nicht erfolgt ist. Der "Täter wurde daraufhin freigesprochen. Kurz danach hat es sich der Freund aber anders überlegt und der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass es doch zu einer Körperverletzung gekommen sei und er die Falschaussage getätigt habe, da er Angst vor dem Täter gehabt habe.

Die StA legte sofort Berufung gegen das freisprechende Urteil ein und im Ergebnis wurde das Verfahren gegen den Täter nach § 153 a StPO gegen Zahlung von 500 € eingestellt.

Gegen den Freund wurde das Verfahren wegen falscher uneidlicher Aussage gleichfalls nach § 153 a StPO gegen Zahlung von 500 € eingestellt.

Mein Mandant jedoch hat den Fehler begangen, seinem Freund noch vor dessen erster Verhandlung den Rat zu erteilen, die Sache doch lieber auf sich beruhen zu lassen, um mit dem Täter keinen Ärger zu bekommen. Es war ein freundschaftlicher Rat!!!

Nunmehr kam es zur Anklage wegen Anstiftung des Freundes zu dieser falschen Aussage.

Das Gericht erachtete es im heutigen Fortsetzungstermin für erwiesen, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale einer Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage vorliegen und es kam zu einer kurzen Besprechung außerhalb der Hauptverhandlung.

Letztlich wurde eine Einstellung nach § 153 a StPO angeboten gegen Zahlung von 2500 €. Nach ausufernder Diskussion konnte dieser Betrag jedoch auf 1000 € gedrückt werden.

In Anbetracht des Kostenrisikos eines anschließenden Berufungsverfahrens, stimmte der Mandant der Einstellung zu.

Das Ergebnis ist für einen Verteidiger jedoch höchst unbefriedigend.

Der Eigentliche Täter zahlt 500,- €.

Der Zeuge, welcher falsch aussagte, zahlt 500,- € und der "Anstifter" des Zeugen, zahlt letztlich 1000,- €.

Offensichtlich ist es wohl doch so, dass manche Staatsbediensteten jeglichen Bezug zur Realität verloren haben und die einschlägigen Kommentare zum Allerheiligsten erheben.

Wo leben wir denn?????

14.6.06

14.06.2006 Hauptverhandlung AG Gera

Heute kam es zur Hauptverhandlung vor dem AG Gera und ich fungierte als Nebenklägeranwalt.

Angeklagt ist die Vergewaltigung meines Mandanten durch einen Mitgefangenen im Rahmen der Untersuchungshaft in einer anderen Sache.

Im Gang des Verfahrens stellt sich heraus, dass der genaue Akt (Penetration im Analbereich) von keinem Zeugen beobachtet wurde (wär hätte das gedacht?) und nun fraglich ist, ob überhaupt eingedrungen wurde, zumal mein Mandant keine körperlichen Verletzungen davon trug.

Die Verteidigung des Angeklagten will in diesem Verfahrensstadium die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen für die Beweisfrage, ob der erregierte Penis des Angeklagten beim Eindringen in den After des Geschädigten Verletzungen hervorrufen würden.

Das Gericht war dann tatsächlich der Ansicht, dass dies auch innerhalb des Gerichtssaales geprüft bzw. demonstriert werden könne.

Erst nach heftigem Widerspruch der Staatsanwältin, wurde ein derartiger Gedanke wieder verworfen. Sie beruhigte den Geschädigten diesbezüglich, der schon mit dem Schlimmsten rechnete.

Im Ergebnis soll der After meines Mandanten bei einer möglichen Untersuchung, also durch ärztliches Zutun, soweit gedehnt werden, bis es zu Verletzungen kommt, der dann vorliegende Durchmesser wird dann ermittelt und mit dem Penisdurchmesser des Täters verglichen.

Außer acht gelassen wurde hier zunächst, dass eine derartige Behandlung der Zustimmung des Geschädigten bedarf. Das Gericht fragte diesen dann aber dennoch vorab und der Geschädigte verweigerte die Zustimmung selbstverständlich.

Der Beweisantrag wurde seitens der Verteidigung daraufhin nicht eingereicht.

Es wird dennoch einen Fortsetzungstermin geben, in welchem die behandelnde Psychologin des Geschädigten gehört wird.

Derartige Fälle sind leider nicht allzu selten, was heute im Hauptverhandlungstermin allerding diskutiert wurde, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken fahren.

Man stelle sich die Situation nur bildlich vor, bei welcher im Gerichtssaal, ein Angeklagter mit entblößtem Geschlecht versucht, eine Errektion zu bekommen und der Geschädigte gleichzeitig am Anus untersucht und gedehnt wird, bis er schreit.

Würde man so auch im Falle einer vergewaltigten Frau vorgehen wollen?

Leider wurde hierbei auch die psychische Verfassung des Geschädigten vollkommen außer acht gelassen.

Zum Glück konnte ich als Nebenklägervertreter ein wenig auf diesen einwirken und die Situation so entschärfen.

Ich werde weiter berichten......

13.6.06

Jetzt weiß ich bescheid

Der Besuch in der JVA war wirklich aufschlussreich. PKH wird sicher bewilligt. Das mit dem angedachten Adhäsionsverfahren (Schmerzensgeld und Schadenersatz) werde ich mir allerdings noch überlegen müssen. Der Angeklagte/Schädiger sitzt bereits in lebenslanger Haft. Ob da was pfändbar ist??? Man weiß es nicht.....

13.06.2006 ab in die JVA

Jetzt gehts erstmal in meine "Lieblings-JVA". Heute bin ich als Opferanwalt unterwegs. Mal sehen, ob die PKH bewilligt wird und die Fahrt nicht vollkommen umsonst ist. Formulare habe ich dabei. Schon morgen ist der Prozess und ich weiß noch nicht einmal worum es eigentlich geht.

Anklageschrift legt Prozess lahm

In einem wirklich umfangreichen Witschaftsstrafverfahren beim Landgericht Mühlhausen verteidige ich einen der Angeklagten. Nun hat die Staatsanwaltschaft im Vorfeld wohl äußerst unzureichend ermittelt, was letztlich in einer Anklageschrift mündete, deren Anklagesatz allein etwa 295 Seiten umfasst. Nach dem 4. Verhandlungstag steht fest, dass der Staatsanwalt ca. 30 Seiten pro Verhandlung verlesen kann. Dies würde zunächst zu einer Verlesungsdauer von etwa 10 Verhandlungstagen führen. Da es jedoch immer wieder zu Unterbrechungen wegen diversen Anträgen der Verteidigung kommt :-), kann sich dieser Zeitraum durchaus verlängern. Nun wird auf Antrag der Verteidigung seitens des Gerichts geprüft, ob die Anklageschrift auch durch sogenannte Selbstlesung prozessual wirksam in den Prozess eingeführt werden kann, um in absehbarer Zeit zumindest mit den Zeugenvernehmungen beginnen zu können.

Ich selbst habe eine derartige Vorgehensweise noch nicht erlebt und glaube, dass die Selbstlesung der Anklage sicherlich nicht oft beschlossen wird.

Jetzt soll das Gericht aber erstmal über hiesige Besetzungsrüge (gleich zu Beginn durch einen Verteidiger erhoben) entscheiden und dann kann man sich wieder getrost in den Schlaf wiegen, während der Staatsanwalt die Anklage verliest.

Ich werde weiter berichten.