Justitia Jenensis

Berichte eines jenenser Strafverteidigers

13.6.06

Anklageschrift legt Prozess lahm

In einem wirklich umfangreichen Witschaftsstrafverfahren beim Landgericht Mühlhausen verteidige ich einen der Angeklagten. Nun hat die Staatsanwaltschaft im Vorfeld wohl äußerst unzureichend ermittelt, was letztlich in einer Anklageschrift mündete, deren Anklagesatz allein etwa 295 Seiten umfasst. Nach dem 4. Verhandlungstag steht fest, dass der Staatsanwalt ca. 30 Seiten pro Verhandlung verlesen kann. Dies würde zunächst zu einer Verlesungsdauer von etwa 10 Verhandlungstagen führen. Da es jedoch immer wieder zu Unterbrechungen wegen diversen Anträgen der Verteidigung kommt :-), kann sich dieser Zeitraum durchaus verlängern. Nun wird auf Antrag der Verteidigung seitens des Gerichts geprüft, ob die Anklageschrift auch durch sogenannte Selbstlesung prozessual wirksam in den Prozess eingeführt werden kann, um in absehbarer Zeit zumindest mit den Zeugenvernehmungen beginnen zu können.

Ich selbst habe eine derartige Vorgehensweise noch nicht erlebt und glaube, dass die Selbstlesung der Anklage sicherlich nicht oft beschlossen wird.

Jetzt soll das Gericht aber erstmal über hiesige Besetzungsrüge (gleich zu Beginn durch einen Verteidiger erhoben) entscheiden und dann kann man sich wieder getrost in den Schlaf wiegen, während der Staatsanwalt die Anklage verliest.

Ich werde weiter berichten.